Die Artikelserie zum Thema ‚Polyamorie – Besser Vielliebhaberei statt Untreue und Fremdgehen?‘ ist nun auch als Dossier im Format PDF bei uns erschienen.
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Polyamorie
Ist Polyamorie - die Viellieberei - die Antwort auf die Antwort auf die zunehmende Untreue in unserem Zeitalter? 11 Fragen und 11 Antworten des Dipl.-Psychologen Wulf Mirko Weinreich, der selber in einer polyamoren Beziehung lebt von Liebesfibel-Herausgeber Jürgen Christ.
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» Datum: 15. Februar 2014 (letzte Aktualisierung)
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Foto: Gerd Pfaff, pixelio.de
Letzte Frage an Dipl.Psychologe Wulf Mirko Weinreich: In welchen Fällen, unter welchen Voraussetzungen kann Polyamorie, eine offene Beziehung, überhaupt funktionieren? Oder bleibt sie eine Illusion?
Die Swingerclubs haben in den letzten 10-15 Jahren deutlich ihr Niveau angehoben – und sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Partnertausch, Gruppensex, „Sex en masse“ – was hat das noch mit freier Liebe und/oder Polyamorie zu tun?
Wulf Mirko Weinreich: Über die Unterschiede von Liebe und Sexualität habe ich ja schon zuvor gesprochen. Swingerclubs können eine Hilfe sein, der Sexualität ihre Exklusivität zu nehmen.
Es klingt so einfach, wenn Therapeuten etwas sagen oder schreiben. Haben Sie denn persönliche Erfahrung mit Polyamorie gemacht? Schöne Erfahrungen? Oder tat es manchmal weh, sich eine(n) Partner(in) zu teilen?
Wulf Mirko Weinreich: Ich mache gerade polyamore Erfahrungen. Ich habe es nie gewollt, aber die neue Liebe passierte mir halt. Ich sah darin aber keinen Grund, warum ich meine langjährige Lebenspartnerin deshalb nicht mehr lieben sollte. Beide Frauen sind sehr, sehr verschieden. Deshalb war ich ziemlich hin- und hergerissen. In dieser Not habe ich von einem Freund ein Buch über Polyamorie geliehen bekommen, was mir geholfen hat, meine Beziehungsvorstellungen in Frage zu stellen.
Schwäne sind nicht treu. Ein weit verbreiteter Irrtum. Nach der Wissenschaft vögeln sie gerne mal fremd. Foto: Kurt Michel, pixelio.de
Eifersucht kennen fast alle Menschen, zumindest in westlichen Gesellschaften. Allgemeine Beschreibungen gibt es zuhauf, nichtsdestoweniger erlebt jeder Mensch sie auf seine eigene Weise. Und jeder Mensch muss auch auf seine Weise damit klar kommen. Da helfen persönliche Erfahrungen anderer meist am besten als Anregung zu einer vielleicht neuen Betrachtungsweise.
Ich habe Eifersucht immer als quälend erlebt, und vor allem in der Form der Verlustangst. Das gilt jedenfalls für die Zeit, als ich in den ersten 37 Jahren meines Lebens monogam gelebt habe. Wenn es tatsächlichen oder eingebildeten Grund zur Eifersucht gab, dann stand immer gleich die ganze Beziehung auf dem Spiel. Also konnte das gar nicht anders in Erscheinung treten, denn als Verlustangst.
Ist Polyamorie nicht eher eine Flucht vor einer festen Bindung, vielleicht steckt gar eine Bindungsangst dahinter? Oder es tauchen Probleme in einer Beziehung auf und man wählt statt Kommunikation Polyamorie? Also, eine Flucht?
Wulf Mirko Weinreich: Das kann sein – muß aber nicht. Im Gegenteil: Menschen, die wirklich polyamor leben und dieses Wort nicht nur als Rechtfertigung für Promiskuität benutzen, gehen gleich mehrere feste Bindungen ein.
Bisher wird ja von vielen Therapeuten unreflektiert behauptet, wenn ein Mensch, der in einer Partnerschaft lebt, sich in einen anderen verliebt, wäre es lediglich ein Indiz, dass die alte Partnerschaft nicht in Ordnung ist. Wo gibt es einen Beweis für diesen Glaubenssatz? Meistens geschieht uns die Liebe ja aus heiterem Himmel, ohne dass wir es geplant hätten. Und sie fragt nicht danach, ob wir schon einen Partner haben. Was wäre, wenn Lieben lernen – und zwar alles und jeden – unsere wichtigste Lebensaufgabe wäre? Dann wäre Polyamorie ein möglicher Schritt dahin.
Angenommen, ein Mann hat zwei Frauen. Alle Drei sind einverstanden mit dieser Form der Beziehung. Nun werden aber beide Frauen krank. Der Mann muss sich entscheiden. Oder die Kinder der beiden Frauen haben am selben Tag einen Einschulungstermin in unterschiedlichen Schulen. Schluss mit Polyamorie?